Von großen Träumen und magischen Grenzen
Es ist Nacht in der Wüste Gobi. Es ist bitterkalt. Und dann sind da diese gigantischen Sanddünen. Unmöglich hinaufzukommen, unmöglich, sie links liegen zu lassen. Was nur tun? Wird es vielleicht die letzte Nacht, die ich erlebe? Dieser Gedanke treibt Christoph Harreither an – und er treibt den Läufer um. „Wenn wir hier nicht weiterkämen, konnte es sehr schnell sehr gefährlich werden“, berichtet er. „Unglaubliches Glück“ habe er in dieser Situation gehabt. Der Wiener hat es schließlich geschafft: 400 Kilometer über Sand, Geröll und Salzkrusten, in 130 Stunden mit weniger als sechs Stunden Schlaf – das nächste Kapitel in seiner Sammlung außergewöhnlicher Abenteuer.
Was zugleich die Sinnfrage aufwirft: Warum sucht jemand solche extremen Herausforderungen? Was will er sich und anderen beweisen? Der Psychologe Michele Ufer ist dem in seinem neuen Buch „Limit Skills“ nachgegangen. Aus seiner eigenen Erfahrung als Ultramarathonläufer weiß er, wie schwer es vielen aus dieser Zunft fällt, ihr Leistungsvermögen realistisch einzuschätzen. Weil sie nicht wirklich beurteilen können, wo ihre Grenzen liegen, und Gefahr laufen, sich deutlich zu überschätzen. Von wegen, man könne alles schaffen, wenn man nur wolle – Ufer vertritt eine kontroverse These: „Es ist wichtiger, eigene Grenzen zu testen, sie zu respektieren und an ihnen zu wachsen.“
Wie Christoph Harreither, Manager einer großen Wirtschaftsprüfungskanzlei. Er hat es sich zu eigen gemacht, um 4 Uhr aufzustehen und dann an die drei Stunden zu laufen. Danach geht es ins Büro – und von dort aus nach Feierabend zu Fuß zurück nach Hause. „Am Ende sind die erfolgreich, die wirklich viel dafür tun“, sagt er. Im Business müsse das Risiko jedoch kalkulierbar sein. Harreither berichtet auch davon, wie sich in seinem Beruf Durchhaltevermögen auszahlte, um einen Millionenauftrag an Land ziehen zu können, der schon fast verloren schien. Eine interessante Parallele.
Insgesamt 20 Männer und Frauen werden von Ufer mit ihrer Geschichte vorgestellt. Zu den Extremsportlern gehören dabei unter anderem die Läufer Karl Egloff, Florian Reus und der bereits 81-jährige Klemens Wittig, der 2017 den Frankfurt-Marathon in angesichts seines Alters unglaublichen 3:39 Stunden beendete. Reus hatte sich 2006 fest vorgenommen, einmal bei der Weltmeisterschaft im 24-Stunden-Lauf zu siegen. Diesen Traum hat er nach sportlich intensiven Jahren 2015 verwirklicht. Auch deshalb, weil er in Turin nach der ersten Hälfte des Rennens, als er sich ziemlich platt gefühlt habe, wie er schreibt, „meine vielleicht größte Stärke ausspielte“ – nämlich die Ruhe zu bewahren, um so eine Krise zu überstehen.
Drei Jahre später hat Reus nun auch seine Grenzen respektiert. Er hat sich aus dem deutschen Nationalteam verabschiedet, weil er bei sich eine „mentale Müdigkeit“ verspürte. Seinen langfristigen Plan habe er ja verwirklicht, jetzt wolle er kürzertreten. Das hat der 34-Jährige erst vor Kurzem auf seiner Homepage geschrieben. Ein bemerkenswerter Nachtrag zu Ufers Buch, in dem Reus eine Hauptrolle spielt.
Michele Ufer: „Limit Skills. Die eigenen Grenzen respektieren, testen, überwinden“. Delius Klasing Verlag. 160 Seiten, 24,90 Euro.
Trimm dich auf die moderne Art
Es gibt sie noch, auch in Hannover. Auch wenn der Trimm-dich-Pfad in der nördlichen Eilenriede, der unweit vom Zoo-Eingang beginnt, ein bemitleidenswertes Dasein führt. Was vor allem damit tun tun hat, dass er in die Jahre gekommen ist. Diese und jene Übungsstation an der zwei Kilometer langen Strecke ist längst arg ramponiert oder gar verschwunden. Die Stadt Hannover investiert lieber in sogenannte Fitnessparcours, die deutlich teuer, aber nicht unbedingt effektiver sind, wenn man unter freiem Himmel etwas tun möchte für die eigene Gesundheit und das allgemeine Wohnbefinden.
Ist die in den Siebzigerjahren entstandene Trimm-dich-Bewegung nicht auch längst am Ende? Zumal manche der einst empfohlenen Übungen Sportwissenschaftlern heutzutage die Haare zu Berge stehen lassen. Dem zum Trotz gibt es immer noch zahlreiche Trimm-dich-Jünger und -Befürworter. Zu ihnen gehört Holger Meier, ein Fitnesstrainer und Ernährungsberater aus Heddesheim. Sein Motto, das diesem Buch zugrunde liegt, lautet: raus in die Natur, um fit zu werden oder sich fit zu halten – durch das sinnvolle Training von Kraft, Ausdauer, Koordination und Beweglichkeit. Also die ganze Palette von Übungen, die auch Läufern gut tun.
Meier erklärt detailliert, wie modernes funktionales Ganzkörpertraining aussehen sollte, und dass nicht alles, was die Trimm-dich-Bewegung einst propagierte, nun auf den Müll der Sportgeschichte gehört. Zahlreiche Übungen, die er vorstellt, sind zudem bebildert – das schützt vor Fehlern beim Nachahmen. Und wen es angesichts der derzeitigen Witterung nicht nach unbedingt draußen in den Stadtwald oder auf den Sportplatz zieht, der wird auch bei der Suche nach Varianten für die eigenen vier Wände fündig. Training ist überall möglich – auch da ist Meier nicht zu widersprechen.
Holger Meier: „Das Trimm-dich-Buch. Mach deine Umgebung zur Fitnesszone“. Meyer & Meyer Verlag. 208 Seiten, 19,95 Euro.