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Neue Sportbücher

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Die „Bekloppte“ aus dem Schwarzwald

In Freiburg, ihrem Zuhause, hat man sie schon als „die Bekloppte, die durch die Wüste rennt“, bezeichnet. Geärgert hat sich Brigid Wefelnberg darüber nicht unbedingt. Irgendwie stimmt es ja, was ihr verbal vor den Kopf geknallt wurde. Man muss schon ein wenig verrückt sein, um das zu tun, was für die Mittfünfzigerin seit 2005 einen wesentlichen Teil ihres Lebens ausmacht. Von wegen „nur“ Marathon- oder Ultralauf: Für sie fängt der eigentliche Sport erst bei Strecken von mehr als 250 Kilometern an. Ganz schön extrem!

Was mit der SMS eines Freundes begann, sich mit 42 doch mal Gedanken über einen Start beim Marathon des Sables zu machen, hat Wefelnberg seitdem nicht mehr losgelassen. Die alleinerziehenden Mutter mit Vollzeitjob, die im Schwarzwald wandern ging, wurde zu einer Läuferin der speziellen Art. Viermal im Jahr startet sie durch und sammelt Extremläufe wie andere rare Briefmarken. Mehr als 50, die sie auf alle Kontinente geführt haben, sind es inzwischen. Zwei davon rückt sie in ihrem Buch „The Track – Auf Unwegen zur Extremläuferin“ in den Blickpunkt: den TransPyrenea und The Track. Der eine umfasst 870 Kilometer und ist in maximal 16 Tagen zu absolvieren, der andere mit 520 Kilometern und neun Etappen durch das australische Outback nicht weniger herausfordernd.

Muss man das haben? Kann man das überhaupt schaffen? Wefelnbergs Begeisterung für ihr extensives Hobby kennt kaum Grenzen, mit ihrer Selbstmotivation versetzt sie auch in kritischen Momenten Berge, und ihre Willenskraft ist beispielgebend. Den letzten, 130 Kilometer langen und nonstop zu bewältigenden Abschnitt ihrer Outback-Tour schaffte sie trotz einer schmerzhaften Schienbeinentzündung in gut 25 Stunden. Der Zieleinlauf am Ayers Rock sei alle Strapazen wert gewesen, meint sie – Wassermangel, Tütenessen, Fliegenplage, nächtliche Kälte im Zelt, Sturm und die stets wiederkehrende Angst, sich in der Wildnis verirren. Zwischendurch wird so abends im Camp aus einer Dose mit Ravioli eine heiß herbeigesehnte Delikatesse.

Schweren Herzen weiß Wefelnberg aber auch, sich selbst Grenzen zu setzen: Den TransPyrenea 2016 brach sie aufgrund eines fiebrigen Virusinfekts ab. „Meine schwierigste Entscheidung bei diesem Wettkampf“, sagt sie. Von Trainingsplänen hält Wefelnberg im Übrigen nicht viel. Sie läuft fast täglich von zu Hause zum Büro, eben mal so an die 20 Kilometer. Mitunter heißt es, sich besonders zu sputen, um vor einer Besprechung noch die Laufschuhe gegen Sandaletten tauschen zu können. Das ist nichts gegen das, was sie andernorts erwartet: ob Wüste oder Dschungel, Himalaja oder Polarkreis. „Erst wenn wir es wagen, die Komfortzone zu verlassen und die Distanzen zu erweitern, entdecken wir das Wunder im Gleichschritt von Körper, Geist und Seele“, schreibt sie. Ein Satz für das Poesiealbum eines jeden Extremsportlers.

Brigid Wefelnberg: „The Track – Auf Umwegen zur Extremläuferin“. Piper Verlag. 272 Seiten, 16 Euro.

Wenn Torturen Freude machen

Was unterscheidet Ultraläufer und Marathonis? Glaubt man Verena Liebers, dann trennen sich die Welten in diesem Fall nicht erst bei 42,195 Kilometern. Dahinter steckt mehr: „Das eigentlich Wichtige bei den Ultras ist nicht die Streckenlänge, sondern die Idee“, wie sie meint. Etwa diese: „Einfach loslaufen, Tagesform prüfen und dann weiter entscheiden.“ Liebers, die keine Profisportlerin, sondern der Kategorie ambitionierte Freizeitsportlerin zuzuordnen ist, ist selbst von dieser Idee besessen. Mit 50 hat sie ihren ersten 100-Kilometer-Lauf absolviert, zwei weitere folgten.

Darüber hat die Mittfünfzigerin jetzt ein Buch herausgebracht, das mit weiteren Geschichten und Anekdoten rund ums Laufen und um den Triathlon, ihre andere sportliche Leidenschaft, angereichert ist. Dazu gehört die lesenswerte Episode, wie sie Christian Hottas bei seinem 2000. Marathon 2013 in Hannover begleitete und dabei „magische Momente“ erlebte. Nicht bierernst geschrieben ist das Ganze, sondern auf amüsante Weise und auch mit einem Schuss Selbstironie. Siehe die Begründung dafür, dass Liebers sich bei ihrem vierten Start beim Remscheider Röntgenlauf für die 63-Kilometer-Distanz entschied. Sie hätte es auch bei einem Marathon belassen können, dann allerdings hätte sie die Differenz bis zum eigentlichen Ziel auf vier Rädern beschließen müssen. Doch sie „fahre nicht besonders gerne Bus“. Und gut stillsitzen, das habe sie auch noch nie gekonnt.

Nur so kann man wohl auch eine Herausforderung meistern wie die „Tortour de Ruhr“, bei der die 100 Kilometer noch das Minimum sind. Den weiten Weg zu Fuß von Hagen nach Duisburg hat sie insgesamt dreimal zurückgelegt, jedes Mal war es für sie ein grandioses Erlebnis. Da bleibt man eben auch mal  für ein Foto stehen oder um mit den Augen die Schönheiten der Natur aufzusaugen. Für Marathonis, die Angst haben, dass ihnen die Zeit davonrennt, ist das nahezu unvorstellbar. „Was am meisten für den Ultralauf spricht“, schreibt Liebers, „ist der mediative Effekt, die Entspannung.“ Gut zwölf Stunden war sie bei ihren Hundertern jeweils unterwegs, eine respektable Leistung auch angesichts der nicht immer optimalen Vorbereitung. Ihre Botschaft: „Laufen ist eine wunderbare Möglichkeit, die Seele baumeln zu lassen – aber natürlich besteht dabei auch die Gefahr, sich zu stoßen: am eigenen Ehrgeiz, an enttäuschten Plänen oder verschollenen Trainingspartnern.“

Verena Liebers: „Vom Abenteuer 100 Kilometer zu laufen“. Klartext Verlag. 224 Seiten, 14,95 Euro. 

Laufen als Lebenselixier

Noch so eine starke Frau! Man kann es nicht wirklich nachvollziehen, was Sandra Otto vollbracht hat, denn für die meisten läge Derartiges außerhalb jeglicher Vorstellung. Da erfährt die 34-Jährige völlig unerwartet, dass sie an Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium erkrankt ist. Es ist der Moment, in dem sie die „Sinnlosigkeit meines Dasein“ spürt, wie sie sagt. Doch abfinden will sich Otto damit nicht. Nur nicht aufgeben! Sie kämpft mit allem, was sie hat. Das Laufen, vorher schon ihr liebstes Hobby, wird ihr Anker. Zum Quell von Kraft, Lebensmut und Zähigkeit.

Wenige Tage nach der niederschmetternden Diagnose und kurz vor dem ersten Klinikaufenthalt tritt sie zusammen mit ihrem Mann zu einem Staffelmarathon an der Ostsee an. Eine irre Gefühlswelt: Otto spricht da noch von ihrem „vermeintlich letzten Zieleinlauf“. Doch sie nimmt den Kampf gegen das Schicksal an und steht ihn durch, trotz aller Rückschläge. Laufen wird ihr Lebenselixier, auch wenn sie es mitunter übertreibt. Sie lässt sich auch von der Chemotherapie nicht bremsen. Rund ein halbes Jahr nachdem sie von ihrer Erkrankung erfuhr, ist sie beim Halbmarathon in Leipzig nach zwei Stunden im Ziel.

Achim Achilles hat das Vorwort zu Ottos Buch „Mein Lauf ins Leben“ verfasst. Beim Lesen habe er immer wieder weinen müssen, bekennt der namhafte Autor und Hobbyläufer. Dessen muss er sich nicht schämen. Was Otto schreibt, das geht unter die Haut. Als sie meint, die Krankheit besiegt zu haben, gibt es die furchtbare Nachricht: Der Krebs ist zurück. Auch daran zerbricht Otto nicht. Sie hat zusätzlich zu dem, was ihr die Ärzte verordnen, ihre spezielle Medizin. „Das Laufen zeigt mir jeden Tag, wofür sich mein Aufstehen und mein Leben lohnt.“

Sandra Otto: „Mein Lauf ins Leben“. Meyer & Meyer Verlag. 180 Seiten, 14,95 Euro.


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