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Neue Bücher übers Laufen (2)

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Der Kopf rennt mit

Zum Geburtstag gibt es mitunter ausgefallene Geschenke. So mancher erfüllt sich aus diesem Anlass selbst einen nicht alltäglichen Wunsch. So wie Michele Ufer: Er machte sich, als er 39 wurde, auf zu einem Lauf durch die Atacama-Wüste in Chile. Ein Etappenrennen über 250 Kilometer in bis zu 3500 Meter Höhe in der wohl trockensten Region der Welt. Zuvor war er nie mehr als 29 Kilometer am Stück gelaufen, hatte noch nie einen Wettkampf bestritten. Nicht minder bemerkenswert: Seine Vorbereitungszeit auf dieses Abenteuer betrug weniger als vier Monate. Hinterher schwärmte Ufer vom schönsten Geburtstag, den er je gehabt habe. Mit der Krönung, als absoluter Neuling nur sechs anderen den Vortritt gelassen zu haben.

Wie ist das möglich? Kann man einen sogenannten Ultramarathon unter solchen extremen Bedingungen quasi aus dem Ärmel schütteln? Und stellen sich dann gar noch solche Gefühle ein, die der Duden als „Zustand höchster Konzentration und völliger Versunkenheit in eine Tätigkeit“ beschreibt – den sogenannten Flow? Um das herauszufinden hat Ufer – Sportpsychologe und Mentalcoach – sich auf einen nicht minder bemerkenswerten Selbsttest eingelasen: In zwei Jahren war er bei acht Ultraläufen mit mindestens 160 Kilometern auf vier Kontinenten dabei, am Polarkreis ebenso wie im Dschungel des Amazonas, in der Kalahari oder im Leinebergland, beim „Stunt 100“ in Sibesse. Mal als Aktiver, mal „nur“ als Fragesteller, der an die 600 Ausdauersportler interviewt hat.

Das Ergebnis liegt nun in Buchform vor. Es ist ein bemerkenswertes Zeugnis dessen, zu was ein Mensch in der Lage ist, wenn der Kopf stärker ist als der Körper. Auch Florian Reichert (35), in und um Hannover gut bekannt als erfolgreicher Ausdauersportler, berichtet darin auf drei Seiten über eigene Erfahrungen. Ufers wohl wichtigste Thesen lauten: Mit mentalem Training und Sporthypnose können verborgene Potenziale abgerufen werden. Der sogenannte Flow, den ein ungarischer Wissenschaftler als „freudvolles Aufgehen im Tun als Motivationsquelle“ bezeichnet hat, ist kein Zufall, sondern Ergebnis des eigenen Handels. Darüber hat Ufer auch schon in einer früheren Publikation („Mentaltraining für Läufer“) geschrieben. Sein neues Buch korrespondiert auch vortrefflich mit dem, was Gary Dudney im jüngst erschienenen „Tao des Laufens“ beschreibt.

Als eine Kronzeugin wird Kirsten Althoff zitiert. Die Siegerin beim Sahara Race in Namibia klagte zuvor über abhandengekommene Lauffreude, mühsames Training und starke Rückenbeschwerden. Nach zehn Stunden individueller Betreuung durch Michele Ufer sei alles anders geworden. Sie habe sich von „störenden Muss-Gedanken“ losgemacht und immer wieder Kraft aus ihrem Mantra gezogen: „Ich laufe frei und freu mich drauf.“ Klingt wie ein keines Wunder, ist es anscheinend aber nicht.

Michele Ufer: „Flow-Jäger. Motivation, Erfolg und Zufriedenheit beim Laufen.“ Delius Klasing Verlag, 160 Seiten, 24.90 Euro.

Weitere Buchempfehlungen für Läufer gibt es hier und hier.


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