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Finale im Besenwagen

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Da war die Welt noch in Ordnung: Norbert Fettback in der Startzone auf dem Friedrichswall in Hannover. Foto: Stünkel

Es hätte so ein schöner Tag werden können. Und ein Radrennen, an das man sich später gern erinnert. Weil alles stimmte: klasse Organisation mit dem nötigen Improvisationsvermögen der Veranstalter, sodass beim ProAm-Jedermanntag nichts baden ging im Hochwasser der Leine, dazu tolle Stimmung am Friedrichswall und in den Dörfern an der Strecke, gefühlt genug Trainingskilometer in den Beinen. Da kann doch eigentlich nichts schiefgehen.

Dann das: So ziemlich genau 70 Kilometer sind gefahren, der Nienstedter Pass ist in Sichtweite, nach 2:30 Stunden fühle ich mich noch so lala, da macht von Knall auf Fall das Hinterrad schlapp. Ein schleichender Platten, wieder mal! Das Sportlerpech bleibt mein treuester Begleiter. Doch diesmal ist es ausgerechnet mein Wettkampfdebüt auf dem Rennrad. Es ist 44 Kilometer eher zu Ende als gedacht. Und ein Albtraum wird wahr: Ich fahre nicht mit dem Rad über den Zielstrich am Trammplatz, sondern muss bei meiner Premiere den Besenwagen nehmen.

An Bord des komfortablen Busses herrscht gedrückte Stimmung. Kaum einer aus der Reise- und Leidensgesellschaft sagt ein Wort. Ich bin der Neunte, der zusteigt. Und nicht der Letzte. Den Ersten hat es schon in Pattensen erwischt: noch ein Schlauch, dem die Luft ausgegangen ist, dazu ein Riss im Mantel. Mein Nebenmann hat blutige Schürfwunden am rechten Arm, der Lenker seines Rades ist rechts auf zehn vor zwölf verbogen, die Schaltung ist abgerissen. Ihn hat es bei einem Sturz heftig erwischt. Einem anderen wurde die Kette zum Verhängnis.

Da bin ich doch mit meinem Plattfuß noch gut dran. Zehn Minuten lang versuche ich mit der Pumpe, die ja eher ein Spielzeug ist, mein Glück. Bringt nichts. Also den Schlauch wechseln … Doch da naht auch schon das Unheil: Mit Warnblinklicht kriecht das „Official car“ den Anstieg hoch und den Radfahrern hinterher. Der Scharfrichter für die Nachhut des Feldes. Pech für den, der von ihm überholt wird: Es gibt kein Pardon für diejenigen, die langsamer unterwegs sind als im vorgegegebenen 26er-Durchschnittstempo. Der nette Kampfrichter hilft sogar dabei, einem die Rückennummer abzunehmen – man merkt seine Routine bei dieser Tätigkeit. Es erwischt viele, der starke Wind hat sie zusätzlich geschlaucht, doch die meisten fahren trotzdem weiter. Wenn das Rad noch rollt, warum auch nicht an so einem schönen Tag. In der Ergebnisliste findet man sich dann allerdings nicht wieder.

Was bleibt hängen? Die Leute, die vor allem in den Dörfern stundenlang für Tour-reife Stimmung und Unterstützung gesorgt haben, spenden auch den Ausgestiegenen, die per Bus nach Hannover zurück fahren, Beifall. Das baut auf in Momenten, die man gern missen möchte. Trotzdem überlege ich, ob es das nun war mit meiner Radsportkarriere. Als Läufer hat man nie eine Panne, und am Zeitlimit bin ich da nicht ein einziges Mal gescheitert. Und wer ist mit Laufschuhen schon in den Besenwagen gestiegen? Ich jedenfalls nicht!


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